Darum können wir keine Einhörner behalten 🦄 – Teil 2 der Kein-Einhorn-Saga

Denn Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Disclaimer

Diese Geschichte ist ein Werk der Fiktion, entstanden aus der fantasievollen Stimme von Weirdolight. Ähnlichkeiten mit realen Personen, Produkten oder Arbeitsorten sind rein zufällig – oder vielleicht ein kleines bisschen magisch.

Hallo, ihr wundervollen Weirdos! 🌟

Es war einmal… ein Arbeitsplatz.

Wir haben die Einhörner kennengelernt, die wir nicht haben konnten.
Jetzt treffen wir die, die wir nicht behalten können.
Eine Fortsetzung der Kein-Einhorn-Saga, geflüstert durch Glaswände und sanfte Stille.

Darum können wir keine Einhörner behalten 🦄 – Teil 2 der Kein-Einhorn-Saga

Denn Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Es gibt einen Ort, an dem erwachsene Einhörner sicher arbeiten können.

Die Decken sind hoch, die Stühle ergonomisch, und im Teamchat wimmelt es vor Emojis. Irgendwo zwischen Retros und Workshops zur psychologischen Sicherheit landen Juniper und Lucien bei einem Unternehmen, das sich selbst Herde nennt – aber sich eher wie ein Terrarium anfühlt.

Das Sentiment ist überall.

Unausgesprochen, aber allgegenwärtig.
Es summt in den langen Pausen nach Meetings.
Es schwebt durch Kommentar-Threads, in denen alle begeistert zustimmen – zu Ideen, die niemand so richtig versteht.
Es steht nicht im Handbuch, aber ist in jede Meeting-Geste eingebrannt:

Lasst uns positiv bleiben.

Juniper versucht es.
Jeden Tag.
Aber Juniper versteckt das Horn nicht – nicht am Anfang.
Trägt es still, ehrlich.
Nicht geschärft.
Nicht stumpf.
Einfach da.
Sichtbar.

Hier gibt es keine Samtkissen.

Kein Zitronenmelissen-Tee, keine Motivationsposter. Nur Glaswände und farbcodierte Workflows. Und statt sanftem Hornfeilen gibt es „Empathie-Syncs“, „Pulse Check-ins“ – und das, was nie jemand so richtig erklärt, aber alle spüren:

Das Sentiment.

Juniper bemerkt es schon am ersten Tag.

Es ist nicht im Onboarding-Guide.
Nicht in den Orientierungsfolien.
Aber es summt unter jeder Unterhaltung – wie eine Frequenz, knapp außerhalb des Hörbaren.
Nicht laut. Nur stark genug, damit alle weiterlächeln.

Das Sentiment ist kein Tool.
Kein Login. Keine Einstellungen.

Es ist ein gemeinsamer Instinkt. Das Sentiment besteht zur einen Hälfte aus Glaube und zur anderen aus glauben machen – dass, wenn alle nur nett genug, weich genug, einverstanden genug bleiben, nichts kaputt geht.

Oder weint.

Oder kündigt.

Lucien nennt es emotionalen Smog.

Juniper nennt es kompliziert.

Sie haben sich seit Jahren nicht gesehen, nicht seit Softlight. Doch am ersten Tag des Agile-Fundamentals-Trainings kommt Lucien herein – seine Mähne immer noch wild, das Horn sichtbar, einfach so. Er sieht Juniper. Nickt einmal. Setzt sich.

Der Chat-Thread zwischen ihnen entfacht sich – wie ein Feuer, das nur darauf gewartet hat wieder zu brennen.

Lucien:
„Sie rekalibrieren jetzt mit Sprache.“

Juniper:
„Besser als Samtfeilen.“

Lucien:
„Nur, wenn man bereit ist zu lächeln, während man blutet.“

Das war vor sechs Monaten.

***

Heute, während dem Team Sync, sagt es jemand:
„Zur Hölle, ist dieses Tool umständlich!“

Juniper blickt nicht auf. Aber der Raum friert ein.
Das Summen beginnt – das Sentiment, unsichtbar und unmittelbar. Anspannung liegt in der Luft.

Dann, eine Stimme im Chat:
„Bitte kein Tool-Bashing – das könnte die Gefühle des Teams verletzen, das so hart daran gearbeitet hat.“

Sofort überfluten Emojis den Chat. Applaus. Glitzer. Herz-Hände.
Wie Regen auf einem Sensor.

Juniper wirft Lucien einen Blick zu.
Er schaut zur Decke, halb geschlossene Augen, als würde er Graffiti lesen, das nur er sehen kann.

Sie schreiben sich im Chat:
Juniper:
„Hast du das gehört?“
Lucien:
„Gespürt.“

Nach dem Meeting bleibt Juniper noch.
Nachrichten trudeln ein – leise und zuckersüß:

„Danke, dass du still warst. Der Kommentar vorhin war… hart.“
„Schön, dass wir hier auf psychologische Sicherheit achten. Produkte haben schließlich auch Owner.“
„Du zeigst immer so viel emotionale Intelligenz.“

Juniper möchte schreien. Oder vielleicht lachen.
Stattdessen schreibt Juniper alles auf.
In ein kleines Notizbuch mit dem Titel:
Was wir nicht sagen.

***

Einmal, in einer Retro, fragt Lucien: „Bauen wir Software oder eine Sekte?“
Niemand lacht. Jemand schlägt eine Dankbarkeitsrunde vor.

Zum Feierabend fragt Juniper ihn, ob er jemals daran denkt, zurückzugehen.
„Zu Softlight?“, schnaubt er. „Wir sind nie wirklich gegangen. Wir nennen die Betreuer nur inzwischen mittleres Management.“
Juniper sagt nichts.
Junipers Horn ist inzwischen länger. Schwerer zu verbergen.

***

Es passiert an einem Mittwoch.
Kein dramatisches Meeting. Nur ein weiteres Status-Update mit zu vielen Folien.

Jemand erwähnt einen Bug – nur beiläufig. Aber die Folie wird rot.
Dann blau.
Dann grau.

Das Sentiment erkennt potenzielle Negativität.

Lucien sagt fast beiläufig:
„Der eigentliche Bug ist, dass wir Angst haben, ehrlich miteinander zu sein.“

Stille.
Keine beleidigte Stille. Nicht mal Wut.
Einfach … Verwirrung.
Als hätten alle das Gefühl, etwas stimme nicht, aber niemand hat die Worte dafür. Nur ein Hauch Unsicherheit, wie ein Stuhl, der nur ein kleines bisschen von der rechten Stelle verrückt wurde, oder ein flackerndes Licht.

Juniper wartet nicht auf die nächste Folie.
Klappt den Laptop zu. Steht auf.
Und zum ersten Mal seit Softlight sagt Juniper es laut:
„Ich finde, emotionale Sicherheit sollte auch beinhalten, dass man die Wahrheit sagen darf. Auch wenn sie unbequem ist.“

Es gibt keinen Applaus.
Aber niemand stellt sich in den Weg, als Juniper den Raum verlässt.

Lucien folgt zwei Minuten später.

Im Flur ist das Summen verschwunden.
Nur noch das Klacken echter Hufe auf poliertem Boden.
Sie gehen schweigend, Hörner im Licht wie kleine, trotzige Sterne.

***

An einem Dienstag hält eine Kollege eine dreistündige Präsentation mit dem Titel Einhörner verstehen: Eine grundlegende Einführung.
Die Slides erstrahlen mit Bulletpoints wie:

  • Einhörner verdienen Wertschätzung
  • Zieh keine voreiligen Schlüsse über die Hornlänge
  • Every Sparkle Matters

Alle klatschen.

Dann kommt die offene Feedback-Runde.

Eine Stimme nach der anderen erhebt sich zum Lob:

„So eine schöne Präsentation.“
„Ich mochte die Energie.“
„Eine wertvoller Reminder für uns alle.“

Lucien ist als Letzter dran.

Er räuspert sich und spricht sanft:

„Struktur und Umsetzung waren wirklich solide. Ehrlich. Aber ich bin wahrscheinlich nicht die Zielgruppe. Ich bin mein ganzes Leben lang schon ein Einhorn. Für mich waren das drei Stunden Selbstverständliches. Und auch drei Stunden, in denen ich meine eigentliche Arbeit nicht machen konnte.“

Stille.

Der verantwortliche Manager in der Runde wirkt sichtlich unwohl. Er beugt sich vor, Verletztheit glänzt hinter den Brillengläsern. Mit einem weichen Schmerz in der Stimme sagt er:

„Aber siehst du denn nicht, wie viel Mühe sich dei Kollege gegeben hat? Diese Art von Engagement verdient Unterstützung – nicht… Zerpflückung.“

Lucien nickt nur. Eine sanfte Bewegung seines Horns in Richtung Tür.
Er zieht sich zurück.

***

Später in der Woche wird Lucien zu einem Gespräch eingeladen. Nur er und die Führungskraft.

Sie reden über Tonfall. Über sicheren Raum. Über Balance.

Lucien versucht es — ein letztes Mal.

„Wenn ich Feedback gebe, dann aus Respekt. Ich gehe davon aus, dass Menschen klug sind. Kompetent. Fähig.
Ich gehe davon aus, dass sie wachsen wollen. Dass sie die Wahrheit verkraften können. Dass sie sie eigentlich sogar bevorzugen.“

Er beugt sich vor.
„Es ist respektlos, kluge Erwachsene wie zerbrechliche kleine Kinder zu behandeln. Zu lächeln, Emojis zu schicken und Dinge darunter brodeln zu lassen. Leistungsstarke Teams verstecken sich nicht voreinander. Sie schärfen sich gegenseitig. Machen sich besser.“

Sein Manager nickt langsam.
„Ich höre dich. Wirklich. Aber… nicht jeder kann das aushalten. Manche brauchen etwas Sanfteres.“

Lucien mustert ihn kurz — und sieht die Lücke klaffen.
Dieser Mann wurde nie liebevoll geschärft.
Nie mit Unbehagen vertraut gemacht.
Hat nie in einem Team gearbeitet, in dem Wahrheit Sicherheit bedeutet.

Lucien nickt noch einmal.
„Ich verstehe.“
Aber er meint etwas ganz anderes.

Von diesem Tag an spricht er nur, wenn es nötig ist.

***

Schließlich geht Lucien.
Er findet ein kleines Startup. Unordentlich. Unperfekt. Leidenschaftlich.
Dort gibt es keine Folien über Einhörner.
Dort gibt es Einhörner.

Niemand zuckt bei seinem Horn zusammen.
Es ist inzwischen länger geworden.

***

Juniper bleibt.

Lächelt unverfänglich in Meetings. Schreibt vorsichtige Nachrichten mit sanften Worten und vielen Emojis.
Juniper sagt „ja“, wenn „vielleicht“ gemeint ist.
Und nickt, wenn eigentlich „hmm“ gemeint ist.

Und eines Tages, ganz still, versteckt Juniper das Horn.

Unter einem neuen, modischen Kopftuch — mintgrün, mit kleinen Sternen bestickt.

Juniper feilt nur ein bisschen ab, um die Kante zu glätten.

„Nur ein Stilwechsel“, sagen Juniper sich im Spiegel. „Sanfter Widerstand.“

Aber es ist kein Widerstand.

Es ist Tarnung.

Gehorsam, duftend nach Lavendelöl.

Das Horn ist nicht verschwunden.

Nur… nicht mehr sichtbar. Aber es ist noch da…

Oder etwa nicht?

„Ein neuer sanfter Stil“, sagt Juniper.
Aber es ist kein Stil.

Es ist Kapitulation.

***

Darum können wir keine Einhörner behalten.
Denn Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Worum geht es in dieser Geschichte wirklich?

Vielleicht sieht sie aus wie eine skurrile Erzählung über Einhörner und Meetings im Büro.
Aber wenn du genau hinhörst, regt sich etwas anderes unter dem Glitzer und hinter Glaswänden.

Vielleicht erzählt sie davon, wie Stille zunächst wie Schutz wirkt — bis sie all die Stimmen verschluckt, die einen Raum erst zum Leben erwecken.
Davon, wie wir beim Schonen der Gefühle manchmal die klaren, funkelnden Kanten von Ehrlichkeit, Kunst und Wachstum verlieren.
Davon, was geschieht, wenn wir die Komfortzone mit echter Verbindung verwechseln.

Oder vielleicht geht es um die Einhörner, die wir einmal waren.
Die Facetten von uns, die mutig sprachen, aufrecht standen, harte Fragen stellten — und keine Angst davor hatten, ein bisschen zu hell zu leuchten.
Was wird aus diesen Facetten, wenn wir anfangen sie zu glätten, zu schleifen, uns zu verkleinern… nur um dazuzugehören und nicht anzuecken?

Diese Geschichte gibt keine Antworten.
Doch vielleicht flüstert sie uns leise zu —
hinterfragt, was verloren geht, wenn wir das Andersartige und Wahre zum Schweigen bringen,
und was zurückkehren kann, wenn wir aufmerksamer zuhören.

Denn Einhörner sind nicht gefährlich.
Doch ihre Magie schwindet, wenn man sie zähmt.
Sie brauchen Raum.
Vertrauen.
Wahrhaftigkeit.

Die Magie zuzulassen, heißt vielleicht, unser Herz für Mut und Lebendigkeit zu öffnen.

Was hast du in dieser Geschichte gehört?

🖤
~ Weirdolight

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